Apple: Foxconn-Mitarbeiter berichten über Situation in Zhengzhou - Capital.de

2022-12-20 10:31:13 By : Ms. Jessie cui

Fünf Tage stand die chinesische Zehn-Millionen-Einwohnerstadt Zhengzhou unter Quarantäne. Mal wieder ein Corona-Ausbruch, mal wieder griff die lokale Regierung streng durch. Jetzt, nach Ablauf der fünf Tage, sind Teile der Stadt wieder vorläufig frei. Und das freut vor allem eine Personengruppe: Die Manager der weltgrößten iPhone-Fabrik Foxconn und ihre Mitarbeiter.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Fabrik schließen musste. Insgesamt ist die Produktion seit mehr als einem Monat unterbrochen, oder läuft zumindest stark eingeschränkt. Wenn es jetzt weitergehe, „erinnert uns das daran, dass wir irgendwann zur Normalität zurückkehren werden“, sagte ein Personalleiter von Foxconn, dem Eigentümer und Betreiber der Fabrikstadt.

Aber die Probleme sind noch lange nicht vorbei. Der taiwanesische Auftragsfertiger muss immer noch damit kämpfen, um die Montagelinien zu besetzen – und das auf dem Höhepunkt von Apples Hochsaison vor den Feiertagen. Gleichzeitig nehmen die Verzögerungen bei den Premium-iPhone-Modellen zu, die fast alle in Zhengzhou hergestellt werden.

Die Unterbrechungen und die seltene Warnung von Apple, dass die Lieferengpässe das Umsatzwachstum des Unternehmens behindern werden, zeigen die Schwachstellen auf, die durch die Abhängigkeit des US-Tech-Riesen von einem chinesischen Produktionsmodell entstehen.

„Das Zhengzhou-Debakel wird als Folge der chinesischen Null-Covid-Politik diskutiert, aber was es wirklich zeigt, sind systemische Schwächen in der Art und Weise, wie die Produktion organisiert ist“, sagte eine Person, die seit mehr als einem Jahrzehnt Audits der elektronischen Lieferkette in China durchführt. „Die Schwachstellen lagen zwischen dem Unternehmen, den Zulieferern und der lokalen Regierung, und das war über viele Jahre ein Problem.

Als Mitte Oktober in Zhengzhou die ersten Covid-19-Infektionen gemeldet wurden, stellte Foxconn sein Werk unter ein „Closed-Loop“-Management, d. h. die Mitarbeiter durften das Gelände nicht verlassen. Doch als sich die Infektionen innerhalb der Fabrikstadt auszubreiten begannen, verließen viele Arbeiter das Gelände fluchtartig.

Ein Logistikmitarbeiter namens He, der seit zehn Jahren bei Foxconn arbeitet, wohnte bisher außerhalb des Werksgeländes. Da er befürchtete, im Oktober aus der Fabrik ausgesperrt zu werden, zog er ins Lagerhaus. „Ich wohne hier seit einem halben Monat“, sagte er am 2. November. „Ich benutze Holz- und Faserplatten als Bett und lege meine Bettdecke hinein.“

Obwohl das Unternehmen die Mitarbeiter darüber informierte, dass sie in zwei Gruppen eingeteilt und diejenigen, die bereits gearbeitet hatten, fünf Tage lang unter Quarantäne gestellt würden, gelang es ihm zu bleiben. „Am Ende war ich nur einen Tag in Quarantäne“, sagte er.

Andere hatten weniger Glück. Beschäftigte berichteten, dass Kollegen und Verwandte in der Fabrik in abgeschotteten Schlafsälen mit bis zu einem halben Dutzend anderer Beschäftigter unter Quarantäne gestellt wurden, ohne zu wissen, ob sie sich mit Corona infiziert hatten oder nicht. Andere sagten, sie hätten „ungewöhnliche“ Covid-19-Testergebnisse erhalten und zeitgleich Symptome entwickelt, ohne dass ihnen jemals offiziell ein positives Testergebnis mitgeteilt wurde.

Foxconn benötigte nach dem Exodus im Oktober dringend neue Mitarbeiter, da die iPhone-Produktion auf Hochtouren laufen sollte. Wie so oft in Zeiten des Arbeitskräftemangels stellte das Unternehmen über die lokale Regierung Tausende von Saisonarbeitern ein.

Foxconn meldete die befristet Beschäftigten jedoch zu den Bedingungen an, die für Langzeitbeschäftigte gelten, und unterschritt damit die von der Regierung zugesagten Löhne. Das wiederum löste massive Proteste der Saisonkräfte aus, die von der Polizei gewaltsam niedergeschlagen wurden.

Um die Unzufriedenen loszuwerden, bot das Unternehmen denjenigen, die bereit waren zu gehen, 10.000 Renminbi (1414 US-Dollar) an – ein Angebot, das nach Angaben von zwei Mitarbeitern von mehr als 15.000 Personen angenommen wurde. Angesichts der aktuellen Personalprobleme lobt das Unternehmen nun Prämien für Neueinstellungen und für Arbeiter aus, die zusätzliche Mitarbeiter anwerben.

„Sie hatten gestern eine Idee, haben sie heute geändert und werden sie vielleicht morgen wieder ändern“, sagte , der Logistik-Arbeiter He. „Man versteht nie, was Foxconn vorhat.“

Foxconn-Führungskräfte erklärten, sie hätten schnell auf die sich ständig ändernden Forderungen der Regierung reagieren müssen. „Das Problem ist, dass wir immer wieder auf Themen stoßen, für die wir nicht zuständig sind“, sagte einer.

Tausende von Arbeitern seien auf Verlangen der örtlichen Behörden in Quarantäneeinrichtungen gebracht worden, sagte ein Manager. Diese hätten es dann versäumt, die unter Quarantäne stehenden Arbeiter mit Lebensmitteln zu versorgen. Dem Manager zufolge bot Foxconn an, einen Teil der Mitarbeiter zurückzunehmen. Es hatte dann aber selbst Schwierigkeiten, Lebensmittel rechtzeitig zu beschaffen.

Auch die Lohnprobleme, die den Aufruhr auslösten, scheinen auf ein Missverständnis zwischen dem Unternehmen und den örtlichen Behörden zurückzuführen zu sein. „Viele örtliche Beamte wie ich sind mit den Löhnen von Foxconn nicht vertraut, so dass wir technisch gesehen keine Löhne oder Prämien versprechen konnten“, sagte ein Beamter in Pingdingshan, der bei der Einstellung örtlicher Arbeiter für Foxconn half. „Einige haben aber trotzdem falsche Versprechungen gemacht.“

Solche Probleme sind ein Déjà-vu. In den 20 Jahren, in denen Foxconn für Apple in China produziert, haben Aktivisten dem Unternehmen immer wieder Verstöße gegen Arbeitnehmerrechte vorgeworfen.

Häufig ging es dabei um den Einsatz von Praktikanten, die von der Regierung wie normale Arbeitskräfte angeworben wurden. Beschwerden über unterbezahlte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gab es, wenn Arbeitsvermittler Bedingungen versprochen hatten, die Foxconn nicht erfüllen wollte. In der Vergangenheit kam es in einigen Fällen zu Unruhen in Unterkünften auf dem Werksgelände, die von externen Auftragnehmern verwaltet wurden.

Foxconns starke Abhängigkeit von lokalen Behörden, Maklern und Subunternehmern entstand als Reaktion auf die schlimmste Katastrophe des Unternehmens: Nachdem eine Welle von Selbstmorden unter den Beschäftigten in seinem damals größten Werk in Shenzhen im Jahr 2010 weltweit für Aufsehen gesorgt hatte, versuchte die Unternehmensleitung, das Modell der Fabrikstadt zu ändern.

Eine der Schlussfolgerungen war: Foxconn wollte nicht mehr alle Anlagen selbst besitzen und verwalten. Foxconn-Gründer Terry Gou versprach damals auch, viele Arbeitskräfte durch Roboter zu ersetzen. Und er forderte die Kunden auf, sie sollten einen größeren Teil der finanziellen Lasten übernehmen, die nötig seien, um die steigenden Ansprüche der Beschäftigten zu erfüllen.

Die einzige große Veränderung war jedoch die Verlagerung der Produktion ins Landesinnere, wo die Löhne niedriger sind als in den höher entwickelten Küstenprovinzen Chinas.

Das Chaos in Zhengzhou zeigt jedoch, dass selbst diese Lösung nicht nachhaltig ist. Foxconn-Chef Young Liu erklärte diesen Monat gegenüber Investoren, die Ausweitung der Foxconn-Produktion außerhalb Chinas sei eher durch geopolitische Gründe als durch die Null-Covid-Politik bedingt. Branchenkenner sehen andere Ursachen: Die Turbulenzen in den Fabriken werde die geplante Diversifikation von Apple beschleunigen  – und das sei der eigentliche Grund für die Foxconn-Expansion ins Ausland. Bislang sind die Kapazitäten in Vietnam, Indonesien und Indien allerdings winzig im Vergleich zu China.

„Wenn wir davon ausgehen, dass die Kapazitäten in Südostasien und Indien mit denen in China vergleichbar sind, sind wir wahrscheinlich erst bei einer Fertigstellungsrate von 10 bis 15 Prozent“, sagte Patrick Chen, Leiter der Forschungsabteilung bei CLSA in Taiwan.

„Es wird sehr schwierig sein, die Produktion hochzufahren, aber jetzt hat Apple einen stärkeren Anreiz“, sagte ein leitender Angestellter eines konkurrierenden iPhone-Herstellers. „Die Lehre daraus muss sein, die Beschaffung breiter zu streuen.“

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